Knappheit
von Benni Bärmann , Stefan Meretz, Stefan Merten , Annette Schlemm
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Wie der Eintrag zum Stichwort "Wirtschaften" in der Freien Enzyklopädie "Wikipedia" anschaulich zeigt, wird "Wirtschaften" üblicherweise so verstanden, dass wir von knappen Ressourcen und der Knappheit von gewünschten Gütern ausgehen müssen und die Wirtschaft dann dafür sorgt, dass mit dieser Knappheit in optimaler Weise umgegangen wird. Die allgegenwärtige Mangelwirtschaft in den real gewesenen sozialistischen Ländern gilt weithin als Beweis, dass nur ein kapitalistisches Wirtschaften der allgegenwärtigen Knappheit gegenüber angemessen ist. Im Rahmen des Oekonux-Projektes ist dazu eine differenziertere Sicht entwickelt worden. Hier wird eine kurze Darstellung der unterschiedlichen Begriffe durch Stefan Merten und Stefan Meretz (Merten, Meretz 2000) auf Grundlage einer von Benni Bärmann entwickelten Unterscheidung (Quelle siehe unten) vorgestellt. Mit Vorkommen meinen wir, dass ein Gut vorkommt, unabhängig davon, ob wir es brauchen oder nicht. Die gesellschaftliche Dimension ist in diesem Begriff nicht enthalten. Vorkommen kennt ein absolutes Maß, das z.B. im Begriff des Rohstoffvorkommens gefasst ist. Verleiht man dem Begriff ein zeitliches Maß, so ist er auch auf hergestellte Güter, also Produkte, übertragbar und er bezeichnet die zu einem bestimmten Zeitpunkt existierenden Produkte. Die durch das Vorkommen angegebene Menge ist für die meisten Dinge, die uns interessieren, nicht unendlich. Das Vorkommen setzt also eine naturgesetzliche Grenze auf den Zugriff darauf. Das Vorkommen von Öl ist nicht unendlich und auch die Anzahl der Atome im Universum ist nicht unendlich.
Man kann dieses Verhältnis zwischen der Verfügbarkeit eines Gutes und den Bedürfnissen der Menschen nennen, wie man will (auch Beschränktheit oder so), aber wir wollen festhalten, dass es zumindest schon mal wichtig ist, das absolute Vorkommen von etwas abzugrenzen, das gegenüber unseren Bedürfnissen relativ ist. Relativ ist es auch insofern, als wir diese Begrenztheit durch Produktion verringern können (während das Vorkommen ja unabhängig von unseren Aktivitäten ist). Es gibt beispielsweise durchaus endliche absolute Ölvorkommen. Durch verbessere Abbautechniken können wir die Begrenzung unseres Zugriffs auf dieses Öl aber hinausschieben. Letztlich hängt alle Produktionstätigkeit der Menschen damit zusammen, dass wir Begrenzungen so weit aufheben, dass unsere Bedürfnisse befriedigt werden. Diese Begrenzungen wird es wohl in der menschlichen Geschichte immer geben. Was es aber nicht immer geben wird, ist eine Produktionsweise, in der Dinge über ihre Begrenztheit hinaus knapp gehalten und gemacht werden müssen, um daraus Profit zu schlagen.
Wenn Güter in ausreichender Menge vorhanden sind, so lassen sie sich nicht als Waren vermarkten. Deshalb ist Knappheit die Grundlage der Waren-Markt-Wirtschaft. Aber mittlerweile ist es unübersehbar, dass das absolute Vorkommen vieler Gebrauchsgüter viel größer ist als die realen Bedürfnisse, die Begrenztheit also sehr gering ist. Nur deshalb gibt es ja die aufgebauschten verzweifelten Marketinganstrengungen, deren Kosten oft schon viel höher sind als die reinen Herstellungskosten. In all diesem Überfluss werden die meisten Menschen dieser Erde aber immer ärmer, ihre Bedürfnisse werden immer schlechter erfüllt. Dies ist ein Widerspruch, der eine Erklärung fordert. Diese Erklärung findet sich in der Unterscheidung von Begrenztheit und Knappheit. Die Begrenztheit vieler Güter und Lebensmittel kann durch effektive Produktion immer weiter eingeschränkt werden - allerdings wird zum Zwecke der Profiterwirtschaftung die Knappheit immer wieder neu erzeugt. Die meisten Aktivitäten der Weltwirtschaftsorganisationen dienen dieser Knappheitsproduktion (z.B. beim Verbot der Subventionierung von Reisproduktion in Indien zur Marktöffnung für amerikanisches Getreide u.a.m.). Auch die Bemühungen zur Patentierung von Lebensfaktoren und von Software und Information dienen dieser künstlichen Verknappung. Wir erleben dabei das Paradoxon des Mangels im Überfluss. Neben der Vergeudung von Lebenszeit der arbeitenden Menschen, beispielsweise bei der mühsamen Herstellung der Wegwerfprodukte - ist dieser Prozess auch ökologisch desaströs. Es ist verhängnisvoll, dass die scheinbar ewige "Knappheit" uns immer wieder als Gegenargument vorgehalten wird, wenn wir neue Formen der Produktion und des Lebens vorschlagen. Wir schlagen deshalb vor, die hier vorgestellten Unterscheidungen zu verwenden. Diese sprachliche Differenzierung ist durchaus keine sinnlose Haarspalterei. Sie ermöglicht es uns, vom "Diktat der Knappheit" endlich wegzukommen. ![]() Stichwort "Knappheit": http://www.coforum.de/?733 Stichwort "Wirtschaft": http://de.wikipedia.org/wiki/Wirtschaften Merten, Stefan ; Meretz, Stefan (2005) : Freie Software und Freie Gesellschaft. In: Open Source Jahrbuch 2005. (Hrsg. v. B. Latterbeck, R.A. Gehring, M. Bärwolff). S. 293-309. Die erste und letzte Abbildung: http://www.isw-muenchen.de/ |